Diskriminiert durch KI

Kehler Zeitung

Beim zweiten Netzwerk-Brunch des Service-Clubs Soroptimist International Offenburg-Ortenau drehte es sich am Sonntag um das Thema Künstliche Intelligenz

 

Von Nina Saam

Kehl. Wie intelligent ist die Künstliche Intelligenz (KI), beziehungsweise die KI-Systeme,die schon heute viele Lebensbereiche durchdringen, und wie gerecht sind diese vonAlgorithmen gesteuerten Programme? Diesen Fragen gingen die beiden Referentinnenbeim Netzwerk-Brunch der Soroptimistinnen in der Kehler Stadthalle und die rund 50Besucherinnen am Sonntag nach.

Dass es mit der Gerechtigkeit nicht weit her ist, wurde schnell deutlich. Die Psychologinund Wissenschaftlerin Jessica Wulf, die zum Thema „KI und Diskriminierung“ forscht,zeigte anhand einiger Beispiele, dass die KI mitnichten objektiv und neutral ist. „DerBegriffKI suggeriert Nähe zu menschlicher Intelligenz“, sagte sie. Passender sei aberder Ausdruck „Automatische Entscheidungssysteme“, technische Systeme, die anhandder an sie verfütterten Daten Entscheidungen treffen, die für Betroffene weitreichendsein können, beispielsweise ob sie einen Job, staatliche Unterstützung oder einenKredit bekommen – oder ein Passfoto, wie das Beispiel einer schwarzen Frau zeigte,die im Fotoautomat der Bundesdruckerei kein biometrisches Passfoto machen konnte,weil die Gesichtserkennungssoftware ihr Gesicht nicht erkannte.

„Die KI ist ein Spiegel der Gesellschaft“, sagte Jessica Wulf. „Wenn in einer GesellschaftDiskriminierung herrscht, wird das auch in die KI-Systeme implementiert.“ In vielenDatensätzen, mit denen eine KI trainiert wird, seien Frauen und People of Colourunterrepräsentiert, ebenso wie im Internet, mit dem „large language models“ wie Chat-GPT „lernen“. Zudem seien die Entwicklerteams stark männerdominiert, was dieAuswahl der Daten ebenfalls beeinflusse.

Die zweite Referentin, die EU-Abgeordnete Alexandra Geese, sprach vom „ParadoxKünstliche Intelligenz“: „Die Zukunft wird mit neuester Technik und historischen Datengeschaffen“, sagte sie. Frauen hätten in jeder Gesellschaft Benachteiligung erfahren,sei es beim Einkommen, beim Vermögen oder in der ihr zugewiesenen Rolle alsHausfrau und Gattin, die ihren Mann um Erlaubnis fragen musste, wenn sie arbeitenwill. Auch sie lieferte Beispiele, in denen Frauen von KI-Systemen übervorteilt werden.Vielen Firmen mit Männern besetzten Chefetagen sei es egal, ob ein Jobangebot alleMenschen erreiche. „Das kann man korrigieren, wenn man das will“, sagte sie. Dabeikann es auch um Leben oder Tod gehen, wie die Gesichtserkennungssoftware zeigt:Die Gesichter weißer Männer hat die KI zu fast 100 Prozent erkannt, die schwarzerFrauen nur zu 67 Prozent. „Was, wenn diese Software in einem selbstfahrenden Autoeingesetzt wird, um auf die Straße Fußgänger zu erkennen?“, fragte sie.

Daneben gebe es noch andere Risiken durch KI: Frauen, Nicht-Weiße oder queereMenschen seien überdurchschnittlich oft von Hass und Hetze im Netz betroffen.Zudem seien die Algorithmen so optimiert, dass solche Inhalte eher gezeigt werden,weil sie mehr Aufmerksamkeit bekommen – und somit auch die eingebetteteWerbung. Geese sprach auch die „Schönheitsfilter“ etwa auf Instagram an, die vorallem junge Mädchen verunsicherten, wie auch die bildbasierte sexuelle Gewalt aufPornoplattformen. Dagegen vorzugehen sei nicht leicht: „Wir haben bei den sozialenNetzwerken eine Machtkonzentration von fünf großen Unternehmen, wie es sie nochnie zuvor gegeben hat“, sagte sie.

Die EU sei der erste Kontinent, der eine KI-Verordnung erlassen hat, was per se positivsei. Enttäuscht sei sie aber, dass es darin keine Pflicht zur Vermeidung vonDiskriminierung gebe, so Geese. Diskriminierung sei dabei kein technisches, sondernein gesellschaftliches Problem. „Man muss sich einmischen, nachfragen und fürdasselbe kämpfen, wofür wir in der Gesellschaft kämpfen: die Gleichberechtigung“,sagte sie.

Netzwerk-Brunch zum Thema KI

Kehler Zeitung

Die Soroptimistinnen laden erneut zum Netzwerk-Brunch. Zu Sekt und Häppchen gibt es spannende Vorträge zum Thema Künstliche Intelligenz.

Kehl (red/nsa). Der Club Sor-optimist International Offenburg-Ortenau veranstaltet am Sonntag, 14. Juli, in der Kehler Stadthalle seinen zweiten Netzwerk-Brunch. Nach den Vorträgen zweier hochkarätiger Referentinnen besteht die Möglichkeit, sich bei einem Gläschen Sekt und einem reichhaltigen Brunch-Buffet mit den Anwesenden auszutauschen und zu vernetzen, schreibt der Club in einer Pressemitteilung. 

„Künstliche Intelligenz – Chance und Risiken für Frauen“ lautet das Thema des Vormittags, zu dem es zwei Impulsreferate geben wird, die spannende Einblicke in die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der KI und die damit verbundenen Vor- und Nachteile bieten werden. Daran schließt sich eine Diskussionsrunde an. 

Jessica Wulf ist Psychologin mit Schwerpunkt auf Arbeit und Bildung und Projektleiterin bei Algorithm Watch, einer NGO, die es sich zur Aufgabe gemacht hat,  Prozesse algorithmischer Entscheidungsfindung, die eine gesellschaftliche Relevanz haben, zu betrachten und einzuordnen. Derzeit forscht sie zu Partizipation in Veränderungsprozessen und ethischen Aspekten von KI-Systemen und hält Vorträge zum Thema KI-Systeme und Diskriminierung.
Die Europa-Abgeordnete Alexandra Geese ist sogenannte „Schattenberichterstatterin“ bei den Verhandlungen des Digital Service Act, einer Verordnung der EU zu den Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen, Dienste und Produkte.
Der Netzwerkbrunch der Soroptimistinnen findet am Sonntag, 14. Juli, von 11 bis 15 Uhr statt, Einlass ab 10 Uhr. Der Eintritt beträgt inklusive Buffet und Getränke 30 Euro pro Person, ermäßigt – Jugendliche, Studierende – 15 Euro. Anmeldungen werden anhand der Überweisung des Unkostenbeitrags auf das Konto des Clubs  vorgenommen: SI Club Offenburg-Ortenau, DE06 6645 0050 0000 0360 39, Verwendungszweck: Brunch 24.
Unter den Teilnehmenden am Netzwerk-Brunch werden zudem spannende Führungen von Frauen in besonderen Positionen ausgelost – unter anderem gibt es eine Führung im Bereich Kultur, im Straßburger Münster, bei der Feuerwehr durch eine Feuerwehrfrau oder auf einem Biobauernhof zu gewinnen.


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